Prof. Alfred Gerauer: „Vorsicht beim Erteilen von Arbeitszeugnissen“

(„Sonderveröffentlichung der Passauer Neuen Presse“, 9/2017)

Arbeitsgerichte: Weder dickes Lob noch ironische Bemerkungen sind im Zeugnis erlaubt

 

Rechtsanwalt Prof. Alfred Gerauer, Pocking

Fachanwalt für Arbeitsrecht in Pocking, Honorarprofessor an der Hochschule München und 1. Vorsitzender des Zulassungsausschusses Arbeitsrecht I für die Verleihung der Bezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ bei der Rechtsanwaltskammer München.

Ein Arbeitszeugnis ist immer noch die wichtigste Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers.    Ein nur durchschnittliches oder gar schlechtes Zeugnis verurteilt fast jede Bewerbung zum Scheitern. Eine Bewerbungsunterlage ist wiederum aber nur dann vollständig, wenn sie ein Arbeitszeugnis enthält.

Das noch recht aktuelle Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.11.2016 ist für jeden Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer höchst interessant. Wenn sich beide Seiten daran orientieren, ist ein Prozess um Form und Inhalt fast überflüssig. Warum? Einmal weil das Gericht klar und unmissverständlich entschied, dass jeder Arbeitnehmer das Recht hat, für sein Zeugnis Formulierungsvorschläge zu unterbreiten, die aber der Arbeitgeber aber nur dann übernehmen muss, wenn sie sachlich sind und der Wahrheit entsprechen. Aber das Gericht weist auch den Arbeitgeber darauf hin, dass das Zeugnis nicht so positiv klingen darf, dass es „ironisierenden Charakter“ erreicht und damit deutlich wird, dass die Beurteilungen nicht ernst gemeint sind. Der unbefangene Leser des Zeugnisses dürfe nicht den Eindruck haben, dass die Formulierungen gar nicht ernst gemeint sind. Wenn das Ausscheiden des Arbeitnehmers bedauert wird, dann darf damit auch nicht der Hinweis verbunden werden, „dass das Ausscheiden für den Arbeitgeber keinen Verlust bedeutet“. Das Zeugnis, so auch andere Arbeitsgerichte, darf einerseits den weiteren Lebensweg eines Arbeitnehmers nicht mehr als erforderlich erschweren, andererseits soll es aber den neuen Arbeitgeber unterrichten und der Wahrheit entsprechen. Selbst ein Abweichen in der Zeugnisnote „nach oben“ ist nicht ohne weiteres zulässig. Auch ein „dickes“ Lob oder das „Loben über den grünen Klee“ sei, so das Gericht, völlig fehl am Platze und bringe den ironischen Unterton unmissverständlich zum Ausdruck.

Die Arbeitsgerichte, ganz allgemein: Der Arbeitnehmer hat auch keinen Rechtsanspruch auf eine Schlussformel, die in der Regel Dank für die geleistete Arbeit ausdrückt und mit guten Wünschen für die weitere Zukunft verbunden wird. Soweit darauf in einem Zeugnis verzichtet wird, bedeutet dies nichts anderes, als dass das Ausscheiden von niemandem bedauert wird, man mit dem Arbeitnehmer ganz einfach äußerst unzufrieden war, kurzum er die Schulnote „mangelhaft“ bekommt. Wenn dem Arbeitnehmer die Schlussformel allerdings nicht gefällt, dann hat er zwar keinen Rechtsanspruch auf eine Änderung, sondern kann vom Arbeitgeber aber immerhin die Streichung aus seinem Zeugnis verlangen.